Im Sommer 2023 sollte es so weit sein: Zum Schuljahresbeginn 2023/2024 hätte in Frankfurt das erste katholische Gymnasium seit Ende des Dritten Reichs, die St. Raphael Schule, seine Tore geöffnet. Die ersten Schülerinnen und Schüler sollten das neue Gebäude an der Ludwig-Landmann-Straße 365 betreten und dort lernen. Leider ist es dazu nicht gekommen.
Die ursprüngliche, von den Projektpartnern – MW Malteser Werke gGmbH, Bistum Limburg, Stadt Frankfurt am Main, Kirchengemeinde St. Marien, Freyberg Stiftung und Freunde und Förderer der St. Raphael Schule e.V. – gemeinsam erarbeitete Umsetzung kam nicht mehr zustande. Die Konsequenz: Die Malteser Werke konnten nicht, wie ursprünglich geplant, die Schulträgerschaft übernehmen.
Die Idee, in Frankfurt wieder ein katholisches Gymnasium zu bauen, gab es bereits seit 2014. Drei Klassen pro Jahrgang sollte die Schule haben, im Vollbetrieb sollten sie mehr als 800 Frankfurter Kinder und Jugendliche, gleich welcher Konfession besuchen. Für den Bau auf dem 5000 Quadratmeter großen Areal am Industriehof, gegenüber dem Stadion am Brentanobad, sollte die im Sommer 2020 profanierte Kirche St. Raphael samt Gemeinde- und Pfarrhaus abgerissen werden. Im Frühjahr 2020 sah auch noch alles danach aus, dass die Schule gebaut werden kann. Die MW Malteser Werke gGmbH wollten die Trägerschaft übernehmen. Sie hatten sogar bereits mit privaten Unterstützern zusammen gut 1,6 Millionen Euro in eine Vorentwurfsplanung und Architektenentwürfe investiert, der Weg zur Baugenehmigung war nicht mehr weit. Zudem waren das Bistum Limburg, die Stadt Frankfurt am Main, die Kirchengemeinde St. Marien und die Freyberg Stiftung als Partner gewonnen worden. Die Stadt wollte sich an dem Bau des 52-Millionen-Euro-Projekts mit 16 Millionen Euro beteiligen, das Bistum mit 7,5 Millionen Euro. Nicht zuletzt hatte sich eine Bank dazu bereiterklärt, ein 30 Millionen Euro Darlehen bereitzustellen.
Im Sommer 2020 begann allerdings das Bistum Limburg von seinen Zusagen abzurücken. Das ursprünglich zwischen allen Partnern vereinbarte Modell sah vor, dass sich das Bistum an den Baukosten für das Schulgebäude beteiligt. So stand es auch in der von den Stadtverordneten beschlossenen Magistratsvorlage aus dem Frühjahr 2021. Darin hieß es, dass „sich das Bistum Limburg mit 7,5 Millionen Euro am Bau beteiligen wird“. In einem Zuwendungsbescheid des Bistums von März 2022 war dann aber von einem Betriebskostenzuschuss für die ersten drei Betriebsjahre der Schule die Rede mit der Konsequenz, dass die den Projektpartnern zugesagten Mittel erst geflossen wären, wenn die Schule ihre Türen geöffnet hätte – und das auch nur unter weiteren Bedingungen.
Ohne den vom Bistum zugesagten Investitionskostenzuschuss war der Bau des Schulgebäudes aber nicht mehr möglich. Deshalb musste bereits im Frühsommer 2020 das Projekt auf Eis gelegt werden, so dass in der Folge allen Fachplanern wie dem Architekten ein zunächst vorläufiger Projektstopp kommuniziert wurde. Das war auch dem Bistum Limburg klar.
Die St. Raphael Schule wäre eine große Chance für die Stadt Frankfurt und die katholische Kirche als Teil dieser Stadt gewesen. Die Stadt Frankfurt hätte ihre erste katholische Schule seit dem Nationalsozialismus erhalten, zum ersten Mal wäre in Frankfurt eine Schule mit einem dezidiert sozialen Profil errichtet worden, und im Schmelztiegel dieser Stadt mit über 170 Nationen wäre das christliche Element mit seiner völkerverbindenden Botschaft sichtbar gestärkt worden. Mit den Maltesern war ein Schulträger gewonnen worden, der dieses Profil überzeugend verkörpert hätte. Der Bau und die Gründung der St. Raphael Schule hatten darüber hinaus auch in einem anderen Sinne wegweisenden Charakter: Zum ersten Mal wäre ein in Auflösung befindlicher Kirchort zum (schul)gemeindlichen Ort der Zivilgesellschaft umgewidmet worden. Mit der Errichtung dringend benötigter Schulplätze wäre die Präsenz der früheren Gemeinde St. Raphael in eine Bildungsaufgabe mit hoher und dauerhafter Prägewirkung fortgeschrieben worden.